Grabenwerkstatt: Spitzer Graben, Spitzenweine für „das Valentin ... ein Haubis“
Es gab eine Zeit, da wurden Weingärten noch mit Scheibtruhe, Hacke und Kübel bewirtschaftet. Traktoren und andere Maschinerie suchte man vergebens, genau wie synthetische Dünger oder systemische Pflanzenschutzmittel. Ausgewählte Lagen der Wachau fühlen sich heute wieder wie anno dazumal an. Dort gehen zwei Winzer ganz bewusst den vielleicht steinigsten Weg: Die Grabenwerkstatt. Mit herausragenden Ergebnissen.
Die Grabenwerkstatt: Michael Linke und Franz Hofbauer
Für Michael Linke und Franz Hofbauer braucht man kein klingendes Prädikat zu erfinden. Wer will schon „Jungwinzer“ genannt werden oder gar „RebenRebell“, wenn er sich laut Gault Millau mit dem Titel „Ausnahmewinzer des Jahres 2022“ schmücken kann? Grund genug, eigentlich, zum Abheben. Und doch wirken die beiden erfreulich geerdet, inmitten ihrer Kulturen, in denen das einzig Geordnete die regelmäßig gepflanzten Weinstöcke sind. Rundherum schwirrt es und summt es, Eidechsen huschen zwischen den wilden Erdbeerpflanzen. Als wäre es nie anders gewesen.
„Uns reizen Weine, die die jeweilige Lage widerspiegeln: elegant, präzise und geschliffen!“
Michael Linke von der Grabenwerkstatt
Zurück zu den Wurzeln
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die beiden die Weite der Welt gegen einen Graben getauscht haben – dort, wo die Wachau bereits das Waldviertel erahnen lässt. Michael Linke: „Wenn man so will, sind wir nach Arbeitsaufenthalten in Australien und Neuseeland zurück zu den Wurzeln gegangen. Die liegen bei mir in der Pfalz und bei Franz in der Wachau. Und die Wahl des Spitzer Grabens war für uns eine ganz natürliche: Denn unsere Idee von Wein lässt sich in diesen Lagen am direktesten umsetzen.“
Ruhiger und höher gelegen
Als Michael und Franz 2014 ans Werk gingen, wählten sie ihre Rieden mit Bedacht. Dabei erstanden sie Weingärten, die vorher über Jahre brachgelegen waren. In diesem Seitental der Wachau, fernab der Donau und fernab des Massentourismus. Ruhiger und höher gelegen als die klassischen Lagen und nicht selten direkt am Wald. „Nicht nur einmal hatten wir das Gefühl, dass wir den Vorbesitzern mit dem Kauf einen doppelten Gefallen getan haben“, erinnert sich Franz Hofbauer. „Einen Handweingarten zu bewirtschaften, heißt eben genau das: Handarbeit.“
„Wir sind noch am Überlegen, ob unsere Bio-Zertifizierung mit aufs Etikett kommt. Für uns ist bio normal.“
Franz Hofbauer von der Grabenwerkstatt
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
Übrigens nicht nur, was die Pflege der Weinstöcke an sich betrifft, die die beiden Winzer mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erledigen, Pflanze für Pflanze. Auch die alten Natursteinmauern, die die Terrassen im Weingarten strukturieren, wollen laufend kontrolliert und gegebenenfalls nachgeschichtet werden. Wofür alles Arbeitsmaterial wiederum händisch von Terrasse zu Terrasse getragen werden muss. Wie schafft man das als Zweimannbetrieb? „Mit der Hilfe einer tatkräftigen Familie und eines begeisterungsfähigen Freundeskreises“, so Michael Linke. Wobei diese allein zum Lesen in Aktion treten. Die laufende Betreuung der Weinkulturen schaffen Franz und Michael gemeinsam, mit Unterstützung der inzwischen zur Tradition gewordenen Praktikantinnen bzw. Praktikanten.
Passion und Mission
Beim Ankauf ihrer Weingärten übernahmen Michael Linke und Franz Hofbauer vorwiegend konventionell bewirtschaftete Flächen und damit Weinstöcke, die mit synthetischen Düngern verwöhnt und auf Hochleistung gepolt waren. Mit den neuen Besitzern hielten biodynamische Präparate, Tees sowie ein maßvoller Einsatz von Schwefel und Kupfer Einzug. Es wurde begrünt, gemäht, gemulcht und tonnenweise Biokompost in den Boden gearbeitet – Kübel für Kübel. Durch die Umstellung dauerte es teils Jahre bis zu ersten nennenswerten Erträgen. Aber wie anders wirtschaften, wenn man sich als „kleiner Teil vom großen Ganzen“ betrachtet?
„Wir setzen nichts zu ...“
Franz Hofbauer: „Jeden Sommer tauschen wir hier in der Grabenwerkstatt Arbeitskraft gegen Wissen und Erfahrung aus erster Hand. Damit leben wir gewissermaßen unsere eigene Unternehmensgeschichte weiter. Die Idee dafür haben wir geboren, als wir selbst bei einem Familienbetrieb in Neuseeland mithalfen. Auf gerade mal 2 Hektar, ausschließlich händisch kultiviert, mit ausschließlich spontanvergorenen Weinen.“ Spontanvergoren? „Auf dem Weg von der Traube zum Wein verlassen auch wir uns rein auf die Hefen, die auf den Früchten und in unserem Weinkeller angesiedelt sind“, erklärt Michael Linke. „Wir setzen nichts zu und beeinflussen gerade mal das Tempo des Gärprozesses. Weil wir überzeugt sind, dass wir mit einem Minimum an Eingriffen ein Maximum an Komplexität und Harmonie erreichen.“ Die zum Einsatz kommenden Stahltanks unterstützen diese naturgemäße Entwicklung. „Sie sind ein neutrales Gefäß, in dem sich der Wein ganz ungeschminkt entwickeln kann.“
„Ausnahmewinzer 2022“ im „das Valentin“ in Wieselburg
Fünf Lagen nennt die Grabenwerkstatt inzwischen ihr Eigen. So unterschiedlich wie die Weine, die aus ihnen erwachsen. Neben dem Wachautypischen Grünen Veltliner dürfen sich auch Rieslinge mit einem Etikett schmücken, das in den gegenwärtigen Weinregalen wohl für Aufsehen sorgt. Weil es versteht, Wurzeln und Werte mit einem frischen Twist zu vereinen. Diese Kombination war es wohl auch, die Anton Haubenberger auf die „Ausnahmewinzer 2022“ gebracht hat, noch bevor sie diesen Titel trugen. Abgesehen von der gemeinsamen Wertschätzung für kraftvolle Hefen. Aber so richtig verstehen lässt sich das wohl nur bei einem wohltemperierten Glas Wein aus dem Spitzer Graben. Zum Beispiel im „das Valentin“ in Wieselburg ...
Text: Melanie Laibl
Fotos: Stefan Knittel